Erik Sturm: Urmaterie

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Datum/Zeit
10.10.2020 - 21.11.2020
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Neuer Kunstverein Gießen e.V.
Ecke Licher Straße / Nahrungsberg
35394 Gießen


Neue Ausstellung in Kunst-Kiosk

Eröffnung: 10.10.2020, 18 Uhr

Dauer: 10.10. – 21.11.2020

Artist Talk: 13.11.2020, 18 Uhr

Öffnungszeiten: Samstag, 14 – 17 Uhr und nach Vereinbarung (Tel. 0178 – 6604302)

Arbeiten in der Stadt, arbeiten an der Stadt und arbeiten mit der Stadt“ – Für Erik Sturm sind die Realitäten im städtischen Raum der Ausgangspunkt für seine künstlerische Auseinandersetzung. Die Energie, Zeit und Spuren unserer – sich im Umbruch befindenden – Gesellschaft stehen dabei im Fokus seiner Arbeitsweise.

In seiner Einzelausstellung im Neuen Kunstverein Gießen widmet sich der Künstler dem Thema Staub. Dabei ist die Auseinandersetzung mindestens so vielfältig wie das Material selbst. Staub ist für Erik Sturm ein konstanter Fundus von Ideen. Staub ist alltägliches Material, unbrauchbarer Rückstand, alles, was irgendwann einmal klein gerieben wurde, Sammelbegriff für die feinsten Partikel unserer Umwelt, ein Index von Zeit, urbaner Umweltmüll, so klein, dass er fast unsichtbar ist und doch allgegenwärtig.
Aus verschiedenen Perspektiven nähert sich Erik Sturm der vielseitigen Materie Staub und greift damit ein Phänomen heraus, das viel über unsere Jetzt-Zeit zu erzählen vermag. Im Neuen Kunstverein Gießen sind nun einige der seit 2012 entstandenen Arbeiten zum Thema Staub in einer konzentrierten Zusammenschau zu sehen.
Begonnen hat die künstlerische Beschäftigung mit der Materie im Jahr 2012, als Erik Sturm ein Auslandssemester in Budapest absolvierte. Um von seiner Wohnung zur Universität zu gelangen, musste er stets einen 400 Meter langen Tunnel unter dem Regierungssitz von Ungarn durchqueren. Es ist der kürzeste Weg von Buda nach Pest, aber auch der lauteste und schmutzigste. Die Videoarbeit „Negativlinie“ zeigt den Künstler, wie er vom Eingang bis zum Ausgang des Tunnels seine Spur hinterlässt – eine in den Ruß geputzte weiße Linie auf Augenhöhe. Gerade durch das Entfernen macht Erik Sturm das sichtbar, was da war: Schmutz und Staub einer Metropole, Relikte und Rückstände von öffentlichem Leben in der Stadt.
Im selben Jahr entsteht die Arbeit „Staub“, eine beeindruckende Aufnahme von den in Staub enthaltenen Partikeln, wie sie unter dem Rasterelektronenmikroskop im Max-Planck-Institut für Feldforschung zu erkennen sind. Staub zeigt sich dabei als ein Gemisch aus verschiedensten Bestandteilen: Rußpartikel, Reifen- und Bremsabtrieb, Sand, Pollen, Bakterien, Fasern, Mikroplastik, Salzkristalle und Glas – ein wissenschaftlich ästhetisches Abbild der urbanen Rückstände unserer Zeit.
Ein besonderes Objekt, welches Erik Sturm für seine Ausstellung im Neuen Kunstverein Gießen auch als Edition anbietet, ist das von 2014 bis 2016 entstandene „Neckartorschwarz“. Das Stuttgarter Neckartor war in der Vergangenheit eine der meist befahrenen Kreuzungen Deutschlands und regelmäßig wurden dort extrem hohe Feinstaub-Messwerte erhoben. Ausgestattet mit Handschuhen und Mundschutz ging der Künstler auf die Suche nach größeren Mengen Feinstaub und barg dort mehrere Kilos des giftigen Materials. Den gesammelten Staub behandelte er wie ein Pigment und verarbeitete ihn mit Methylcellulose und Wasser zu Farbe, welche er in Tuben abfüllte und nach dem Fundort benannte: Neckartorschwarz. In der Folge malte der Künstler mit diesem besonderen Schwarz monochrome Reliefs. Die abstrakten Bilder, die ihre dystopische Brisanz mit dem Wissen um die Besonderheit der Farbe entwickeln, gewähren eine neue Perspektive auf die heutige Klimakrise und Naturzerstörung und das ambivalente Verhältnis der heutigen Gesellschaft zwischen den Vorteilen einer Mobilitätskultur gegenüber den damit verbundenen Risiken.
In der Ausstellung „Urmaterie“ zeigt Erik Sturm nicht nur, dass Staub ein besonderer künstlerischer Werkstoff sein kann, sondern dass er ein Träger von Informationen ist – Informationen, die sowohl über die Vergangenheit erzählen, als auch einen erweiterten Blick auf die Zukunft gewähren können.


Erik Sturm (*1982) lebt und arbeitet in Stuttgart. Er hat Bildhauerei bei Prof. Christian Jankowski an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und bei Prof. Allan Siegel an der Ungarischen Akademie der Bildenden Künste Budapest studiert. Parallel zu seinem künstlerischen Schaffen, gründete er 2011 in Stuttgart den Projektraum LOTTE, an dem er bis 2017 als Hautverantwortlicher mitwirkte und zahlreiche Veranstaltungen realisierte. Er war in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen vertreten, zuletzt im Museum der bildenden Künste Leipzig (Zero Waste, 2020), beim STRABAG International Artaward, Wien (Boom, 2019), im Museum für moderne Kunst, Ingolstadt (Über das geistige in der Kunst, 2018), im ZKM Karlsruhe (Resonanzen, 2017) oder im Hamburger Bahnhof Berlin (Future Nows, 2017).
www.eriksturm.eu


Schlagworte: Ausstellungen
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