Die Tourist-Information der Gießen Marketing GmbH feiert dieses Jahr 25 Jahre Stadtführungen in Gießen. 15 Gästeführer sorgen jede Saison dafür, dass den Besuchern bei den thematischen Rundgängen spannende Einblicke gewährt werden. Gästeführerin der ersten Stunde ist Dagmar Klein, die zugleich auch die größte thematische Auswahl an Rundgängen anbietet.
Die Stadtführungen in Gießen gehen auf eine Initiative von Volker Bunte zurück. Zusammen mit dem damaligen Museumsdirektor Dr. Friedhelm Häring suchte er Studierende, die Interesse hatten, Museums- und Stadtführungen anzubieten. Bis heute sind nur wenige der ursprünglichen Gruppe übrig geblieben, andere kamen hinzu. Beim Interviewtermin auf dem Alten Friedhof erinnert sie sich: „Das war damals alles sehr aufregend für uns. Es hat auch damals noch nicht so viel Literatur gegeben, die wir einbeziehen konnten“. Doch nicht nur die Stadtführungen entstanden damals neu – auch die Stadthallen GmbH unter der Leitung von Wolfgang Braunsdorf war gegründet worden. Bereits Mitte der 80er Jahre war aus dem ehemaligen Verkehrsverein die Tourist-Information geworden. Unter dem damaligen OB Manfred Mutz wollte man versuchen, Gießen touristisch attraktiver zu gestalten – die Stadtrundgänge passten also prima ins neue Konzept. Anfangs seien es etwa fünf Aktive gewesen, erinnert sich Klein, die in Krofdorf-Gleiberg wohnt. Von den Gästeführern der ersten Stunde ist sie die Einzige, die bis heute kontinuierlich dabei geblieben ist.
„Gießen historisch“
Die erste öffentliche Führung im September war „Gießen historisch“, die Dagmar Klein gemeinsam mit Günter Boyens durchführte. Bis heute ist diese Führung ein Klassiker. Der Rundgang rückt, wie der Name vermuten lässt, den historischen Stadtkern Gießens in den Fokus, zeigt etwa das Leib’sche Haus, den Stadtkirchenturm, das Stadttheater und führt in den warmen Monaten auch in den Botanischen Garten. Es folgten Rundgänge auf dem Alten Friedhof sowie die bereits vor Jahren eingeschlafenen Museumsführungen „Kunst am Sonntag“. Kleins erste themengebundene Führung (ab 1998) widmete sich der Frauengeschichte. Bei diesen Führungen informiert Klein die Gäste über das Leben von Frauen in und aus Gießen, die sich besonders verdient gemacht haben wie die Frauenrechtlerin Henriette Fürth. Auf dem Alten Friedhof zeigt Klein nicht nur Gräber von wichtigen Persönlichkeiten wie Wilhelm Conrad Röntgen, sondern erklärt auch die Symbole auf den Grabsteinen. Sie zeigt die Kapelle auf dem parkähnlichen Areal oder fokussiert den Blick auf die Engelsskulpturen. „Im Laufe der Zeit haben wir alle Themenführungen immer weiter ausdifferenziert“, berichtet die Kunsthistorikerin. Einiges habe sich aus Nachfragen der Gäste ergeben.
Heute bietet Dagmar Klein neben den genannten Themen noch Rundgänge zur Gießener Stadtkirche, auf dem neuen Friedhof am Rodtberg, auf dem Schiffenberg an. Die Führung „25 Jahre (Innen)Stadtentwicklung in Gießen. Vom Rathaus bis zum Elefantenklo“ zeigt, was sich seit Beginn der Stadtführungen 1991 in Gießen baulich verändert hat.
„Das ist alles mit den Jahren gewachsen und hat sich professionalisiert“
Etwa 30 Rundgänge leitet Dagmar Klein pro Jahr, denn neben den öffentlichen Führungen kann man fast alle Rundgänge bei der Tourist-Information auch privat buchen. „Das ist alles mit den Jahren gewachsen und hat sich professionalisiert“, sagt Klein, etwa mit Blick auf das Programmheft. „Anfangs gab es ja fast keine Werbung“. Wie viele Führungen es bisher insgesamt gewesen sind – das kann sie nicht wirklich beantworten.
Hat Dagmar Klein bei all den Führungen, die sie anbietet, einen Lieblingsrundgang? „Ich mag die Vielfalt“, sagt sie, doch letzten Endes sei die Führung auf dem Schiffenberg ihr Favorit. „Die Basilika fordert mich als Kunsthistorikerin“. Aber auch den Alten Friedhof schätzt sie sehr. Kein Wunder, denn Klein ist mittlerweile auch als Gutachterin für die Denkmalpflege tätig – vornehmlich auf den Gießener Friedhöfen. All das detaillierte Wissen über Gießen hat man aber nicht automatisch, nur weil man Kunstgeschichte studiert hat? Klein nickt. Für Stadtführungsneulinge hat sie im Auftrag der Tourist-Information ein Skript erstellt, was man wo erzählen kann inklusive eines Literaturverzeichnisses. „Letztlich muss man sich das alles selbst erarbeiten“.
Biographisches
Dagmar Klein, Jahrgang 1956, verbrachte ihre Schulzeit in Bochum und absolvierte anschließend eine Krankenpflege-Ausbildung in Dortmund, arbeitete dann am anthroposophischen Krankenhaus in Herdecke. Im Wintersemester 1979/80 kam sie über die ZVS (Studienfach Medizin) nach Gießen. 1990/91 schloss sie ihr Studium mit einem Magister in Kunstgeschichte ab. Seitdem arbeitet Klein nicht nur als Stadtführerin. Sie forscht und publiziert auch zur Frauen- und Lokalgeschichte und ist als Journalistin im Kulturbereich tätig. Für in Engagement im Sichtbarmachen von Frauen erhielt sie 1997 den Elisabeth-Selbert-Preis des Landes Hessen, außerdem wurde sie mit der bronzenen Plakette der Stadt Gießen ausgezeichnet.