Gießen ist viel mehr als nur die Kernstadt – in den Stadtteilen der Universitätsstadt gibt es ebenfalls eine Menge zu entdecken. In einer lockeren Reihe nimmt die Gießen Marketing GmbH (GiMa) die fünf Stadt-teile einmal näher in Augenschein. Die GiMa stellt Lützellinden, Allendorf, Rödgen, Wieseck und Kleinlinden vor, gibt Ausflugstipps und weist auf Sehenswürdigkeiten hin. Im vierten Teil unserer Serie schauen wir uns nun Rödgen genauer an.
Porträt
War lange Zeit Allendorf, gemessen an der Bevölkerungszahl, der kleinste Stadtteil Gießens, so kann sich seit rund vier Jahren Rödgen mit diesem Titel versehen. Nur rund 1900 Menschen leben in diesem, von dörflichen Strukturen geprägten, Ort im Osten des Stadtgebietes. Malerisch an einem Hang oberhalb der Wieseckaue gelegen und landschaftlich zum Busecker Tal gehörend, liegt das beschauliche Dorf, dass in vier Jahren sein 700-jähriges Bestehen feiern wird. Die älteste gesicherte schriftliche Erwähnung von Rödgen erfolgte unter dem Namen Rode im Jahr 1326 in einer hessischen Urkunde. Begrenzt wird Rödgen von der Kernstadt Gießen sowie von den Gemeinden Buseck und Fernwald. War der Anschluss an die Stadt Gießen in Lützellinden und Wieseck mit teils erheblichem Widerstand der Bürgerinnen und Bürger verbunden, ging Rödgen freiwillig im Jahr 1971 zum Gießener Stadtgebiet über.
„Brödche von Rödche“
Als Anekdote gilt in diesem Zusammenhang ein Vorfall beim Umzug der dörflichen Verwaltung ins städtische Rathaus, der als „Brödche von Rödche“ in die Dorfannalen einging. Im Kassenraum der damaligen Rödgener Verwaltungsstelle, verschwand der Schlüssel zum dortigen Tresor. Jahre später tauchte ein Kästchen mit mehreren Schlüsseln auf, darunter befand sich auch der gesuchte Tresorschlüssel. Hoffte man vielleicht auf verborgene Schätze oder wichtige Unterlagen, war es vielmehr ein steinhartes Brötchen mit Bierschinken belegt, das die Jahre im Tresor in sicherer Verwahrung zumindest äußerlich gut überstanden hatte. Ein auf diese Anekdote verweisendes Exponat ist auch im Rödgener Heimatmuseum ausgestellt. Einen Spitznamen haben die Rödgener natürlich auch: Er lautet „Räärer Hoink“. Der Hoink, ein Mus aus Zwetschgen wurde fast in jedem Haushalt gekocht und war für die Rödgener der wichtigste Brotaufstrich.
3 Dinge, die man hier gesehen haben sollte:
- Naturdenkmäler: Gleich drei der fünf Naturdenkmäler auf städtischem Grund sind in der Rödgener Gemarkung zu finden. Am bekanntesten ist sicher die „Tausendjährige Eiche“ – eine imposante Stieleiche von rund 350 Jahren, die mit einem Stammumfang von sechs Metern und einem rund 15 Meter hohen Kronendach aufwarten kann. Sie steht an der Ecke Geiselweg/Seeweg. Ebenfalls imposant ist der schöne Kastanienbaum, der an der Ecke Rosengasse/Am Bergwald wächst und mit einer Bank zum Verweilen einlädt. Dritter im Bunde der Naturschätze ist die Schillerlinde,eine 1859 gepflanzte Winterlinde zum Gedenken den Dichter Friedrich Schiller. Sie ist in Nähe des Sportplatzes zu finden.
- Kirche Rödgen: Wie so viele Dörfer im Gießener Land, ist auch Rödgen mit einem schmucken Kirchenbau gesegnet. Das hessische Kulturdenkmal, im barocken Stil erbaut, liegt ortbildprägend auf einer kleinen Erhöhung inmitten des Ortes.
- Heimatmuseum Rödgen: Unter dem Dach des Bürgerhauses unweit der Kirche blüht das Dorfgeschehen der Vergangenheit wieder auf. Das Museum zeigt Ausschnitte aus dem Leben früherer Zeiten. Die Wohnkultur wird beim Gang durch Küche, Schlafzimmer und die gute Stube deutlich. An typische Berufe und häusliche Tätigkeiten erinnert das „Rad der Arbeit“, um das sich die Arbeits plätze von Wagner, Küfer, Schuster, Hausfrau, Schneiderin, Friseurin sowie zahlreiche Werkzeuge und Alltagsgegenstände gruppieren. An verschiedenen Exponaten können zudem Jung und Alt experimentieren und wunderliche Dinge aus dem Schrank „Was ist Was“ in die Hand nehmen, um sie ihren Aufgaben von einst zuzuordnen. Zugang zum Museum erhält man über eine Anfrage an den Förderverein unter 0641-47631.
Wanderung/Ausflugstipp:
Für anregende Spaziergänge bietet die Umgebung von Rödgen viele Möglichkeiten. Eine Besonderheit ist sicher das seit 1997 bestehende Naturschutzgebiet „Aschborn und Uderborn bei Rödgen“. Es liegt zwischen der Kreisstraße 22, der Bundesstraße 49 sowie der Ortsrandlage Rödgen und einem Gewerbegebiet. Auf den 53 Hektar finden sich kleinräumige, vielfältige Strukturen wie ein landesweit bedeutsames Quellmoor. Seit 20 Jahren führt die Stadt Gießen zudem mit Erfolg ein umfangreiches Schutz- und Pflegekonzept durch, um die wertvollen Grünlandbestände zu erhalten. Seltene Tier-und Pflanzenarten haben sich daraufhin wieder angesiedelt. Die künstlich angelegten Teiche bieten beispielsweise etlichen Amphibien ein wichtiges Refugium. Die Zahl der zu den Teichen im Frühjahr wandernden Erdkröten ist so groß, dass alljährlich die Udersbergstraße in der Hauptwanderzeit der Tiere gesperrt wird.
Besonderheit:
Das kleine Rödgen beherbergt eine Firma von Weltruf: Lakewood Guitars. Untergebracht ist die Gitarrenmanufaktur in der einstigen Zigarrenfabrik von Rinn & Cloos und ist direkt an der sich durch den Ort schlängelnden Hauptstraße gelegen. Seit 1986 baut hier das Team um Gründer Martin Seeliger die hochwertigen und weltweit geschätzten Musikinstrumente. Künstler wie Richie Blackmore, Erick Bazilian, Thom Yorke, aber auch jüngere Musiker wie Gregor Meyle, Norman Keil oder Wallis Bird spielen auf Lakewood Guitars!
Weitere interessante Facts:
Laut Ortsvorsteherin Elke Victor fand im Rödgener Geburtshaus die erste Unterwassergeburt in Hessen statt. Heute noch werden in dem Haus Mütterhelferinnen ausgebildet. Ebenso gibt in dem kleinen Ort eine Kindertagesstätte, die unter den Top 10 der besten Kitas Deutschlands gehandelt wird. Die einzige noch im Gießener Stadtgebiet jährlich wiederkehrende Kirmes verantwortet die Rödgener Burschenschaft Edelweiß. Und last but not least: In Rödgen gibt es die einzige Demenz-Wohngemeinschaft im Stadtgebiet. Landkreisweit gibt es bislang nur drei davon.
Schlagworte: Gießen, Gießen entdecken, Rödgen, Stadtteile