Jungunternehmer (Teil 5): Gießens „Späti“
Aus der Not eine Tugend machen – so ist schon manche gute und lukrative Geschäftsidee entstanden. Wirklich in Not war Seyhmus Dal natürlich nicht, als er auf die Idee kam, in Gießen den ersten Spätkauf zu eröffnen, doch geärgert hat er sich schon, als er zusammen mit Freunden an einer Tankstelle ein kleines Vermögen für Getränke berappen musste. Für ihn war klar: Das muss auch anders gehen. Und das tut es, wie sein „Späti“ in der Dammstraße seit der Eröffnung im März 2014 beweist.
„Tankstellenbetreiber sind oft Franchisenehmer und können nicht billiger sein, weil sie im Einkauf oft gebunden sind“, weiß der 31-Jährige. Dennoch: 60 Euro für ein paar Getränke, weil man spontan mit Freunden feiern wolle – das sei zuviel. „Da hat man dann schon gar keine Lust mehr „, sagt er. Die Lösung bietet er in seinem „Späti“. Als die Räume – übrigens ursprünglich als Tankstelle erbaut – frei wurden, schlug er zu. Rund 100 Quadratmeter umfasst der Laden und auf diesem Raum bietet Dal alles, was einen „Notfallladen“ ausmacht. Im Mittelpunkt des Sortiments stehen Getränke aller Art – von Softdrinks und einer großen Auswahl an Weinen über Spirituosen bis hin zu Bier. Rund 40 Sorten hat er im Angebot. Die Kunden schätzen besonders, dass Seyhmus Dal auch gerne einmal Besonderheiten und regionale Spezialitäten anbietet: Im Kühlschrank findet man schon mal Kuriositäten wie ein Rauchbier, das im Geschmack an geräucherten Schinken erinnert. „Bei uns kaufen viele Studenten ein“, sagt er, „die freuen sich, wenn sie bei uns ein Bier aus ihrer Heimat entdecken“. Ab Januar plant er „Länderwochen“: Jede Woche soll es besondere Biere aus einer bestimmten Region Deutschlands geben. Seine Waren kauft er im Großhandel und zum Teil im Internet. In dieser Hinsicht ist der „Späti“ also auch eine Anlaufstelle für Liebhaber von Besonderem.
Große Auswahl
Auch die Auswahl an Spirituosen schlägt fast jeden Supermarkt und bietet einige Raritäten. Dazu kommen edle Geschenksets, etwa mit Whisky, falls jemand noch ein schnelles Mitbringsel braucht. Zu den Getränken gibt es eine reichhaltige Auswahl an Knabberwaren, Süßigkeiten, Eis, Snacks, Zigaretten, Tabak und Papers, aber auch Tiefkühlpizza und Backofen-Pommes sind vorrätig. Dazu kommt eine Auswahl an Fertiggerichten wie Ravioli oder Dosensuppen, Grillsaucen sowie Nudeln und passende Soßen. Im Sommer gibt es in der Kühltheke auch eingeschweißtes Grillfleisch, das eine Gießener Partnermetzgerei zuliefert. Diese wird auch die neue Frischetheke befüllen, die in Kürze in Betrieb geht: Hier soll es künftig Kleinigkeiten wie Bock- und Rindswürstchen, Mettbrötchen, Sandwiches und Pfefferbeißer geben – „ein schneller Snack für den kleinen Hunger oder zum Bier“, erklärt Dal.
Das Sortiment haben die Kunden quasi mitentwickelt, denn es ändert sich stetig und mit der Nachfrage und den Kundenwünschen. Hatte Dal anfangs keine Zigaretten im Angebot, merkte er schnell, dass er dies ändern musste. Eine Zeit lang gab es auch mehr Lebensmittel: Zucker, Mehl, Eier, Toastbrot – doch die Nachfrage war zu gering. „Oft sind mir Sachen abgelaufen“, sagt er und änderte das Angebot. Klar – es kommt immer mal irgendwer und sucht etwas, dass Dal nicht anbietet. „Einmal habe ich nachts um 3 Uhr eine Nachricht bekommen, ob ich eine Gurke da habe“, lacht er. Doch Frischwaren bietet er generell keine an. Doch auch, wenn er nicht alles bieten kann, die Leute lieben ihren Spätkauf und kommen gerne hier her, die Kunden sind bunt gemischt durch alle Altersschichten. Die meisten sind Studenten, die sich für die abendliche Party eindecken, aber auch Polizisten und Rettungssanitäter kommen während der Nachtschicht vorbei, oftmals auf der Suche nach einem Energydrink oder einem Schokoriegel. Wollen die nicht lieber frischen Kaffee? „Das hatten wir anfangs im Angebot, wurde aber nicht genug nachgefragt. Also haben wir das gelassen“. Rund 1500 Kunden verzeichnet der Späti im Schnitt an einem Wochenende: „Viel für so einen kleinen Laden“, freut sich Dal, dass seine Idee so gut ankommt. Und dabei hätten ihm anfangs alle abgeraten, erinnert er sich. Besonders gut gefällt ihm, dass man direkt mit den Kunden ins Gespräch komme und das alles viel persönlicher sei.
Am Wochenende bis 5 Uhr geöffnet
Der Standort an der Dammstraße gefällt ihm gut, auch, wenn es schon Ärger gegeben hat: Im August wurde auf den „Späti“ ein bewaffneter Raubüberfall verübt. „Man muss sich bewusst sein, dass so etwas immer und überall passieren kann“, sagt der 26-Jährige. Unterstützt wird Dal, der derzeit auf der Abendschule sein Abitur macht, von insgesamt vier Mitarbeitern, einem Lageristen und drei Kassierern. Denn alleine kann er die ganzen Nachtschichten nicht stemmen und der Laden macht ja auch außerhalb der Öffnungszeiten Arbeit: Einkaufen, Sonderaktionen planen, Regale auffüllen. Die Nähe zum „Dönerdreieck“ sei ansonsten gut, denn es gebe in der Ecke direkt sonst keine Einkaufsmöglichkeiten, hier sei aber auch in den Nachtstunden noch viel los. Montags ist Ruhetag, ansonsten hat der Späti immer ab 18 Uhr geöffnet – unter der Woche bis 3 Uhr, am Wochenende sogar bis 5 Uhr. Auch sonntags ist geöffnet, Ausnahmen bilden einige Feiertage.
Die Außenfassade und auch den Schriftzug im Inneren des Spätkaufs hat übrigens die Gießener Künstlergruppe „3steps“ gestaltet: Der bunte Laden sticht deshalb schon von weitem ins Auge. Im Internet gibt’s den Spätkauf hier.