Jungunternehmer (Teil 3): MyKolter
Hä? Kolter? Was ist das denn? So geläufig, wie diese Vokabel den Mittelhessen ist, ist sie nicht jedermann. Das stellte auch Christoph Seipp im Jahr 2008 fest, als er seine damalige Freundin bat, ihm doch mal den Kolter zu reichen. Aus dieser kleinen sprachlichen Differenz entstand wenige Jahre später eine erfolgreiche Geschäftsidee. Seit 2013 betreibt Seipp das Unternehmen MyKolter, mit dem der 31-Jährige seitdem rund 5000 Wolldecken – so die hochdeutsche Übersetzung – vertrieben hat. Und mehr noch: Seine Städte-Kolter und Hessen-Kolter schaffen Identifikation mit der eigenen Heimat. Seipp ist mit MyKolter auf Wachstumskurs: 2016 soll aus dem Einzelunternehmen eine GmbH werden.
Das Thema Kolter ließ Christoph Seipp, der eine Weile in der IT gearbeitet hat, seit dieser Begebenheit mit seiner Freundin nicht mehr los. 2012 befragte er dann Google zum Suchbegriff Kolter und beschloss, den Begriff bekannter zu machen. Es folgten Recherchen: Seipp besuchte Textilmessen und fand schließlich in Bocholt in Nordrhein-Westfalen eine Weberei, die bereit war, seine Idee umzusetzen. „Leider gibt es keine Weberei mehr in Hessen“, sagt er, „aber dass es zumindest Made in Germany sein muss, war von Anfang an klar“. Ein Gießen-Kolter sollte es zuerst sein, ein Kolter, der berühmte Gebäude und Motive der Stadt zeigt. Doch gibt es für so etwas überhaupt eine Nachfrage? Seipp startete eine Crowdfunding-Kampagne über startnext, um das Projekt zu finanzieren und siehe da: Die 7000 Euro Startkapital waren schnell beisammen, auch dank der Gießen Marketing GmbH, die ihm die Abnahme von 150 Koltern zwecks Verkauf in der Tourist-Information zugesagt hatte, um die Idee zu unterstützen. „Damit war das Projekt gesichert“, freut sich Seipp, der Logistik und International Management studiert hat.
Über 60 Motiv-Kolter
Weitere Städte folgten – 2013 kamen noch zwei Städte dazu, im Jahr drauf folgten zwölf weitere. Aktuell umfasst das Sortiment über 40 Städte-Kolter, darunter auch Gießens Nachbarstadt Lich, in der Seipp aufgewachsen ist, Wetzlar, Marburg, Aschaffenburg aber auch Gemeinden wie Wettenberg. Insgesamt bietet er rund 60 verschiedene Motiv-Kolter an, denn neben den Städte-Koltern gibt es auch noch Hessen-Kolter, etwa mit dem Hessenlöwen, einem Bembel oder einem Gerippten. Es gibt Kinder-Kolter mit Grimms Märchen, aber auch Picknickdecken und seit neuestem auch Schals und Ponchos aus Kolterstoff. Die Kolter sind alle aus Baumwolle und Dralon hergestellt, einem Gewebe, das sich zu Zeiten unserer Großeltern großer Beliebtheit erfreute. Der Vorteil: Die Decken sind warm und laden sich nicht statisch auf. 2016 will Seipp das Sortiment ausdehnen – deutschlandweit will er seine Städte-Kolter verbreiten, arbeitet eine Liste von 600 Städten ab. Auch könnte er sich gut einen hippen Design- oder Urban-Art-Kolter vorstellen, denn „es gibt irgendwie keine richtig coolen Decken“. Das Unternehmen stemmt er aktuell noch alleine – Versand und Lagerung übernimmt allerdings seit jeher die Gießener Spedition Hellmold & Plank. Die Designs der Kolter stammen von der Grafikerin Lea Weber aus Solms, in der Hauptsaison beschäftigt er studentische Aushilfen, die etwa auf Weihnachtsmärkten Stände betreuen. Außerdem stellt Seipp studentische Praktikanten ein, die bei ihm Abschlussarbeiten schreiben können. Meist sind das Studierende aus dem Marketing- und BWL-Bereich, „aber ich fände auch mal jemand aus dem Designbereich spannend“.
Picknick-Weltrekord
Die Kolter gibt es im Internet im Onlineshop, die Städte-Kolter außerdem zumeist an ausgewählten Verkaufsstellen in der jeweiligen Stadt, Hessen-Kolter gibt es zum Beispiel in den Frankfurter Hessenshops. In Gießen kann man Kolter bei der Tourist-Information kaufen. Die Saison beginnt für Christoph Seipp meistens rund um den 1. Advent, denn mit den Koltern bedient er vor allem das Weihnachtsgeschäft. „Im Sommer will keiner einen Kolter kaufen“, weiß er. Dennoch bringt er sich und sein Produkt im Sommer auch gerne ins Gespräch: Gemeinsam mit der Gießen Marketing GmbH hat er den Picknick-Weltrekord nach Gießen geholt. Die Kunden: Menschen, die auf Regionalität Wert legen und sich mit ihrer Heimat identifizieren. „Der Kolter ist weniger ein Souvenir“, weiß Seipp. Nachdem der Versuch 2014 im ersten Anlauf knapp scheiterte, konnte Gießen im Mai den Weltrekord an die Lahn holen: Mit 2433,6 Metern aneinander liegenden Picknickdecken und 5000 Teilnehmern ist Gießen Rekordhalter und wird im Rahmen des Hessentags 2016 von den Mittelhessen aus Herborn herausgefordert.
Seipp ist es wichtig, auch etwas für Existenzgründer und solche, die es werden wollen, zu tun. Gemeinsam mit Alexander Trampisch von der Marketingagentur SwissCommerce Germany, deren Untermieter Seipp ist, findet am Donnerstag, 19. November, in den Räumen der SwissCommerce (Am Urnenfeld 35) ein Abend unter dem Motto „Gründer für Gründer“ statt. Im Fokus soll der Erfahrungsaustausch stehen. Um Anmeldung wird gebeten, gerne unter info@mykolter.de oder hier.
Infos unter: www.mykolter.de