Little America in Giessen oder „Am Alten Flughafen“, wo alles begann
von Gästeführerin Petra Bröckmann
Das über 200 ha große ehemalige US-Gelände war für die meisten Gießener und Menschen aus der Region ein weißer Fleck auf der Landkarte, es sei denn, man hatte mit den „Amis“ was zu tun. Die US-Streitkräfte zählten über Jahrzehnte mit zum größten Arbeitgeber in Gießen. Wenn man durch das Wachgebäude an der Rödgener Straße in das Kasernengelände gehen ‚durfte‘ (nach strenger Ausweiskontrolle), war schnell klar, dass man sich in einer anderen Welt befand. Gebäude hatten einen anderen Geruch, es gab Essen, das wir so gar nicht kannten und Bräuche, die uns fremd waren, die aber über die Jahre Einzug in Deutschland gehalten haben. Halloween ist zum Beispiel ein solcher Brauch, der heute auch in Deutschland gefeiert wird.
Das Gelände ist sehr geschichtsträchtig und es gibt viel darüber zu erzählen. Die teilweise sehr alten Bäume, die heute noch auf dem Gelände stehen, könnten wahrlich Geschichten erzählen – vom Flugplatz 1925 bis 1933 zum Fliegerhorst der deutschen Luftwaffe 1937 bis zum Ende des 2. Weltkrieges, vom Einzug amerikanischer Truppen am 28. März 1945 zum Arbeitgeber für Viele, die teilweise direkt aus der Kriegsgefangenschaft in ein Beschäftigungsverhältnis bei den Amerikanern übergingen und zum großen Teil bis zur Rente dort verblieben. Der Standort Gießen mit den Kasernen in der Licher Straße (Rivers Barracks), der Pendleton Barracks in der Grünberger Straße und natürlich der PX, wo die meisten von uns so gerne mal eingekauft hätten, umfasste auch die Standorte Kirch Göns, Butzbach, Bad Nauheim und Friedberg sowie viele Außenstellen, deren Aufgabe es war, zu Zeiten des Kalten Krieges das westliche Tor nach Deutschland hinein zu schützen. Später gab es Proteste gegen die atomare Aufrüstung und nach dem Ende des Kalten Krieges gab es ein Aufatmen und in der Konsequenz eine Umstrukturierung der Streitkräfte, was sich in Truppenabzug und teilweiser Schließung von Liegenschaften zeigte.
Alles war für uns eine andere Welt. Wenn ich als Kind die amerikanischen Familien sonntags nach der Kirche zur PX einkaufen gehen sah, war ich schon in den 60er Jahren fasziniert von diesem ‚anderen‘ Leben.
Hatte man mal Gelegenheit in das amerikanische Kino zu gehen, musste man wissen, dass vor Beginn des Films erst die amerikanische Nationalhymne gespielt wurde und dazu alle Zuschauer im Kinosaal sich erheben mussten. Aber um die neuesten Filme zu erhaschen, ehe sie auf deutschen Leinwänden zu sehen waren, nahm das jeder gerne in Kauf – vom leckeren gesalzenen Popcorn ganz zu schweigen.
Die Amerikaner brachten Whiskey, Popcorn, das leckere amerikanische Eis und tolle Rezepte mit nach Gießen. Bis zu 10.000 Soldaten lebten hier mit ihren Familien. 2007 wurde das US-Depot für immer geschlossen, aber viele Gebäude erinnern noch an die Zeit und es gibt viele Geschichten zu erzählen. Ich würde mich freuen, wenn Sie mich einmal bei einer Führung über das Gelände begleiten würden.
Ein bisschen amerikanisches Feeling holen Sie sich schon jetzt mit dem leckeren All American Potato Salad nach Hause. Viel Spaß beim Nachkochen und guten Appetit!
Schlagworte: Flugplatz, Gästeführer im Homeoffice, Little America