Datum/Zeit
14.04.2018
19:30
Stadttheater Gießen - Großes Haus
Südanlage 1
35390 Gießen
Der Ruf der Ahnen
IMMER NOCH STURM – Schauspiel von Peter Handke
Auf den Spuren seiner eigenen Familiengeschichte bewegt sich Peter Handke in IMMER NOCH STURM rückwärts durch die Zeit. 2012 wurde das autobiografisch gefärbte Stück mit dem Mühlheimer Dramatikerpreis ausgezeichnet. Ab dem 14. April weht der Wind der Geschichte durch das Stadttheater Gießen.
Es ist Handkes wohl persönlichstes Stück, beleuchtet zugleich aber auch ein vergessenes Kapitel aus dem Zweiten Weltkrieg, in dem sich zentrale europäische Konflikte spiegeln. Es geht um das Erbe des Nationalsozialismus in Österreich und das aufreibende Leben der slowenischen Minderheit in Kärnten zwischen Anpassung und Widerstand. Die einen ziehen für die „Deitschen“ in den Krieg, die anderen schließen sich den Partisanen an. Risse tun sich auf, quer durch Familien. Der raffinierte Trick des Stücks besteht darin, dass der Ich-Erzähler seine Ahnen zurück bittet auf die Bühne des Lebens, so wie sie „damals“ waren, während er ganz der Heutige bleibt.
Regisseur Titus Georgi begreift Handkes sprachmächtigen Text als große epische, tragödische Erzählung über Fragen der persönlichen wie kulturellen Identität. Das Bühnenbild von Jochen G. Hochfeld greift die Zeitlosigkeit der Thematik auf und schafft mit beweglichen Elementen einen zweigeteilten Raum, der ständig in Bewegung ist: Zwischen Erinnerungsraum und Gegenwartsebene, auf einer nicht lokalisierbaren Heidesteppe, begegnen sich die Lebenden und die Toten. Seine Kostüme changieren zwischen historisierenden Elementen sowie zeitgenössischen Anleihen. Unterstützt werden die Szenen durch die Musik von Parviz Mir-Ali. Er hat Motive für Klavier und Cello komponiert, aber auch natürlichen Geräuschen nachempfundene Töne sind Teil der Klanggestaltung, so wie das Rauschen des Sturmwindes.
Weitere Vorstellungen: 21. April; 18., 27. Mai; 17., 30.6.2018 | jeweils um 19.30 Uhr
Inszenierung: Titus Georgi | Bühne und Kostüme: Jochen G. Hochfeld | Musik: Parviz Mir-Ali | Dramaturgie: Matthias Schubert
Mit: Christian Fries („Ich“), Anne-Elise Minetti (Meine Mutter), Carolin Weber (Meine Großmutter), Mein Großvater (Tom Wild), Lukas Goldbach (Gregor, „Jonathan“, der älteste Bruder der Mutter), Maximilian Schmidt (Valentin, der zweitälteste Bruder), Paula Schrötter (Ursula, „Snežena“, Schwester der Mutter), Stephan Hirschpointner (Benjamin, der jüngste Bruder)
Kartenvorverkauf: Haus der Karten
Biografische Informationen der Gäste
Titus Georgi (Inszenierung), absolvierte von 1990 bis 1994 in Hamburg bei Jürgen Flimm den Studiengang für Schauspieltheater-Regie. Zwischen 1995 und 1998 war er Regieassistent am Düsseldorfer Schauspielhaus, dem Berliner Ensemble und an der Schaubühne am Lehniner Platz (unter anderem bei Dimiter Gotscheff, Karin Beier, Franz Xaver Kroetz und Cesare Lievi). Nach ersten Inszenierungen am Düsseldorfer Schauspielhaus arbeitet er seit 1998 als freier Regisseur u.a. am Schauspielhaus Bochum, Theater Bielefeld, Thalia Theater Hamburg, Staatstheater Nürnberg, dem Oldenburgischen Staatstheater, dem Stadttheater Gießen (zuletzt VERBRENNUNGEN und DAS LETZTE FEUER) und dem Theater Bonn. 2006 führte er Regie bei der SKYARENA. Diese von Atelier Markgraph produzierte Ouvertüre zur Fifa-WM 2006 wurde vielfach ausgezeichnet. Seit Sommer 2007 ist Titus Georgi Professor für Schauspiel an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover. Am Gießener Stadttheater inszenierte er 2010/2011 DIE ORESTIE.
Jochen G. Hochfeld (Bühne und Kostüme) ist in Hamburg geboren. Ein dort aufgenommenes Studium der Kunstgeschichte wird für eine Ausbildung zum Herrenschneider an der Hamburgischen Staatsoper abgebrochen. Es folgt ein Gesellenjahr in Bremen am Theater am Goetheplatz. Dann von 2001 bis 2007 Studium an der Kunsthochschule Berlin-Weissensee im Fach Bühnen- und Kostümbild u. a. bei Ginka Tscholakova, Valerie von Stillfried mit Gastsemester an der ASP in Kraków u.a. bei Andrzej Majewski und Adam Brinken. Abschluss mit Diplom. Dem Studium schließen sich eigene Arbeiten in Oldenburg und Bochum, sowie Assistenzen u.a. an der Komischen Oper und am Wiener Burgtheater an. Für dreieinhalb Jahre bleibt Jochen Hochfeld als Assistent an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. Im Anschluss beginnt 2012 die anhaltende Selbstständigkeit als Bühnen- und Kostümbildner. Zusammenarbeiten mit Dimiter Gotscheff („Shakespearespiele“ am Deutschen Theater Berlin und „Leeres Theater“ für das Thalia Theater Hamburg), mit dem Opernregisseur Matthias Schönfeldt („Leonce und Lena“ in Koblenz), sowie mit der Regisseurin Katrin Hentschel („Die erstaunlichen Abenteuer der Maulina Schmidt“, „Böse Kinder“ am Theater Parkaue Berlin). Darüber hinaus widmet Jochen Hochfeld sein Schaffen seit Jahren dem Kindermusiktheater ATZE (u.a. „Die besten Beerdigungen der Welt“, „Emil und die Detektive“, „Die Hühneroper“ oder „Hans im Glück“). Er lebt mit seiner Familie in Berlin-Gesundbrunnen. IMMER NOCH STURM ist Jochen Hochfelds erste Arbeit sowohl mit dem Regisseur Titus Georgi als auch am Stadttheater Gießen.
Parvis Mir-Ali (Musik) wurde in Frankfurt am Main geboren und ist als deutsch-iranischer Komponist und Sounddesigner international tätig. In Los Angeles und New York hat er bereits an Projekten für Michael Jackson, Chaka Khan, C&C und für viele weitere Kunden gearbeitet. 2003 eröffnete er mit seiner Kammeroper DEUTSCHLAND, DEINE LIEDER die Ruhrtriennale unter der Intendanz von Gerard Mortier. In Frankfurt hat er nicht nur die Musik für DIE BLECHTROMMEL am Schauspiel komponiert, er hat auch im Auftrag der Stadt die Musik für die Eröffnung der Fußballweltmeisterschaft 2006 komponiert. Hinzu kommen zahlreiche Kompositionen für TV-Serien und Großveranstaltungen. Neben seiner regelmäßigen Zusammenarbeit mit dem Wiener Burgtheater war Mir-Ali unter anderem schon am Schauspielhaus Zürich, am Niedersächsischen Staatstheater Hannover und am Schauspielhaus Bochum. Dort hat er beispielsweise die Komposition der Bühnenmusik und das Sounddesign für Botho Strauss’ DER NARR UND SEINE FRAU HEUTE ABEND IN PANCOMEDIA übernommen. Außerdem arbeitet er als Dozent an verschiedenen Hochschulen im In- und Ausland.
Christian Fries („Ich“) studierte nach einem Klavierstudium an der Musikhochschule Düsseldorf an der Hochschule der Künste in Berlin Schauspiel. Sein erstes Engagement führte ihn ans Burgtheater Wien (1988-91), anschließend arbeitete er als Schauspieler, Musiker und (seit 1991) auch als Regisseur an deutschen Stadttheatern (Münster, Konstanz, Mainz) sowie in der freien Szene. Für seine Inszenierung KAFKA: DER BAU erhielt er den Förderpreis des Festivals Theaterzwang 2002. Von 2005 bis 2011 war Fries festes Ensemblemitglied des Stadttheaters Gießen, spielte u.a. Danton in Büchners DANTONS TOD, Prospero in Shakespeares DER STURM, Baumeister Solness in Ibsens gleichnamigem Stück und zuletzt den Staatsanwalt in Max Frischs GRAF ÖDERLAND. Er war auch in Gießen als Regisseur tätig, u.a. inszenierte er auf der Studiobühne TiL AUF DEM LAND von Martin Crimp, im Gießener Schlachthof I HIRED A CONTRACT KILLER nach dem Film von Aki Kaurismäki sowie TASSO im Großen Haus. Christian Fries ist auch Autor, veröffentlichte 2009 den Erzählungsband VATER GIBT SEINEN WEINHANDEL AUF und wurde 2010 zum Bachmann-Wettbewerb nach Klagenfurt eingeladen. In der Spielzeit 2017/18 steuerte er die Klavierkompositionen zu HOPPLA, WIR LEBEN! bei und ist in WILLKOMMEN zu sehen.
Schlagworte: Bühne, Stadttheater, Theater